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Im Vergleich mit anderen Bundesländern hat Bayern einen relativ jungen Wohngebäudebestand. Bei uns wurden beispielsweise nur 9,1 Prozent aller noch existierenden Gebäude vor 1919 errichtet – nebenan in Baden-Württemberg sind es bereits 11,7 Prozent und beim Spitzenreiter, Mecklenburg-Vorpommern, sogar 20,2 Prozent.
Allerdings: Selbst, wenn wir Nürnbergs mittelalterliche Pracht-Architekturen ausklammern, dann sind auch bei uns sind ganze 17,6 Prozent aller Wohngebäude von vor 1950 – also nach wirklich jeder Definition „Altbauten“. Rechnet man noch die Gruppe bis 1979 hinzu, dann sprechen wir sogar von 59,7 Prozent des Bestandes. Bedeutet, es gibt hier durchaus viele Häuser, die nach engen und weiten Definitionskriterien zu den Altbauten gezählt werden dürfen.
Rund um solche Gebäude ranken sich verschiedenste Klischees der positiven und negativen Art. Auf den folgenden Zeilen listen wir die sechs häufigsten davon und werfen einen Blick auf den Wahrheitsgehalt.
Wie ein zeitgenössisches Haus aussieht, hängt von zahlreichen Faktoren ab, allen voran der Energetik und dem, was die kommunalen Bebauungspläne erlauben bzw. untersagen. Angesichts dessen denken viele, wirklich regionale Baustile, etwa das sogenannte fränkische Fachwerk, gäbe es praktisch nur noch bei Altbauten.
Dieses Klischee stimmt wenigstens überwiegend. Wahr ist, dass spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg (1939 – 1945) die regionalen Unterschiede in den Bauweisen zunehmend verwischten. Allerdings ist es selbst heute noch mit genügend Geld und einem fähigen Architekten möglich, ein Haus in einem traditionellen Regionalstil zu bauen, sofern der Bebauungsplan es gestattet. Daher ist das Klischee nicht ganz zutreffend.
Vom Altbau kann man zumindest die schon vorhandenen Grundmauern nutzen. Und weil die bei einem typischen Einfamilienhaus bis zu 50 Prozent der Gesamtkosten (ohne Grundstückspreis) betragen können, glauben viele, ein Altbau sei geradezu spottbillig im Vergleich zu einer Neuerrichtung.
Doch so einfach ist die Rechnung keineswegs. Hier spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, etwa
Erneut haben wir es deshalb mit einer „Halbwahrheit“ zu tun. Zweifelsohne ist ein Altbau im Kaufpreis praktisch immer „etwas“ bis „wesentlich“ günstiger als ein von der Wohn- und Grundstücksfläche her vergleichbarer Neubau. Doch je mehr sanierende (nicht bloß renovierende) Arbeit nötig ist, desto mehr kippt diese Rechnung.
Erschwerend kommt oft hinzu: Viele Altbauten offenbaren den Grad der nötigen Arbeit erst nach Beginn. Zudem sind manche Techniken (denken wir an Fachwerk oder die Verarbeitung klassischer Lehmputze) längst nicht jedem Handwerkertrupp so geläufig wie das, was bei zeitgenössischen Neubauten gefragt wird.
Bedeutet, es kann durchaus zu Situationen kommen, in denen ein bezugsfertiger Altbau problemlos ähnliche Beträge verschlungen hat wie ein Neubau, ohne jedoch dessen andere Vorteile aufzuweisen.
Damit eine Wärmepumpe wirtschaftlich zu betreiben ist, sind neben geringen Wärmeverlusten vor allem zwei Dinge ausschlaggebend: Niedrige Vorlauftemperaturen sowie möglichst große Heizflächen.
Vor allem wenn es nicht um eine Komplettsanierung geht, bei der ein Altbau durch ein Wärmedämmverbundsystem und beispielsweise eine Fußbodenheizung auf entsprechende Grundbedingungen gebracht wird, lautet daher die Ansicht vieler, der Austausch gegen eine Wärmepumpe sei am Ende teurer als die Wahl einer anderen Heizungsart.
Hierbei haben wir es mit einem echten Mythos zu tun, der sich leider sehr hartnäckig hält. Denn grundsätzlich funktioniert die Kombination durchaus wirtschaftlich. Ja, sogar dann, wenn das alte Gebäude lediglich passabel dämmende Doppelfenster und herkömmliche Heizkörper aufweist. Natürlich wäre eine sehr gute Dämmung tatsächlich wünschenswert. Doch durch Elemente wie
lässt sich durchaus ein wirtschaftliches Gesamtsystem erschaffen. Das mag vor zehn Jahren noch etwas anders gewesen sein. Seitdem wurde jedoch extrem viel entwickelt, was selbst Altbauten mit niedrigen energetischen Niveaus definitiv nicht mehr zu „Ausschlusskandidaten“ für eine Wärmepumpe macht.
Wer sich mit der Idee trägt, zum Altbaubesitzer zu werden, der wird meistens in den Foren und Gruppen des Internets dazu recherchieren – und dabei zwangsläufig auf haarsträubende Geschichten stoßen. Davor sind selbst handwerkliche Routiniers nicht gefeit.
Nehmen wir Laura Kampf als ein hervorragendes Beispiel. Sie ist einem breiten Publikum als Selbermacher-Expertin aus der „Sendung mit der Maus“ bekannt und betreibt zudem einen reichweitenstarken YouTube-Kanal. Zweifellos ein erfahrenes handwerkliches Multitalent. Dennoch erlebte sie bei der Sanierung ihres frisch erworbenen, 120 Jahre alten Hauses, eine geradezu schockierende Fülle von unschönen Überraschungen, die sie in einer Art Sanierungs-Tagebuch in bislang mehreren Dutzend Clips eindrücklich festhielt. Am Ende musste u.a. ein erheblicher Teil des Fachwerks ersetzt werden.
Was Frau Kampf erlebte, ist definitiv kein Einzelfall. Denn in der Tat stimmt eines: Selbst, wenn man einen Altbau vor dem Kauf von einem auf diese Bau-Epoche spezialisierten Sachverständigen aufs Gründlichste durchprüfen lässt, bleiben jede Menge Unwägbarkeiten, die sich erst offenbaren, wenn die ersten Quadratmeter Putz abgeschlagen, die ersten Dielen entfernt wurden.
Zusammen mit
entsteht somit tatsächlich eine architektonische „Überraschungstüte“, die schon manchen verzweifelt mit dem Kopf schütteln ließ. Das gilt insbesondere für Gebäude, die vor zirka den 1960ern errichtet wurden und wird umso stärker, je älter sie sind bzw., je mehr Zeit seit der jüngsten (Kern-)Sanierung verging – selbst, wenn nicht jeder Altbau voller solcher Katastrophen steckt.
Die meisten dürften in den vergangenen Jahren mit zunehmender gesellschaftlicher Awareness für Nachhaltigkeitsbelange ein Mantra verinnerlicht haben:
„Solange sich Verbräuche und Emissionen nicht unbotmäßig nachteilig auswirken, so ist langes Benutzen praktisch immer besser, als etwas Neues zu verwenden, selbst wenn es erheblich nachhaltiger ist“.
In dieser Beziehung sind Altbauten in der Tat nachhaltiger. Sie benötigen erheblich weniger Ressourcen als ein Neubau, haben zudem ihren „Rucksack“ durch die lange Lebensdauer abgearbeitet. Das, was sie energetisch schlechter stellt, kann man korrigieren. Wie bereits erwähnt kann allein der Einsatz einer Wärmepumpe enorm viel bringen. Besonders, wenn der Strom dafür regenerativ erzeugt wird.
Alles andere zwischen dem Beton des Fundaments und der Dacheindeckung wirkt sich durch das schon lange Leben tatsächlich nachhaltig aus. Natürlich nur, wenn möglichst vieles davon noch lange nach dem Einzug verwendet wird. Je tiefgreifender eine Sanierung, desto kleiner wird der Abstand zum Neubau. Jedoch: Selbst ein kernsanierter Altbau wird sehr häufig nachhaltiger sein. Zumindest, sofern die Neubau-Materialien nicht samt und sonders nach nachhaltigen Gesichtspunkten ausgewählt wurden.
Dieses Klischee bezieht sich insbesondere auf ländliche Altbauten. Hier, so glauben zumindest viele, wären Altbauten durch die Bank weg von Grundstücken umgeben, die einen heutigen Bauherrn bzw. Baugrundstückskäufer gelb vor Neid werden ließen. Um dieses Klischee zu erläutern, muss man ausnahmsweise von der anderen Seite darauf blicken:
2009 veröffentlichte der Verband deutscher Pfandbriefbanken eine Statistik. Darunter die durchschnittlichen Grundstücksgrößen nach Finanzierungsanlass:
Nun muss man diese Zahlen mit etwas Bedacht betrachten. Erstens sind sie bereits 15 Jahre alt. Zweitens wurde darin von der Allgemeinheit der Bestandsgebäude gesprochen – ohne Rücksicht aufs genaue Alter und den Standort.
Allerdings ist ebenso bekannt, dass die Neubau-Grundstücksflächen in den seitdem verstrichenen Jahren durch die Preisanstiege deutlich sanken – seit etwa dem Jahrtausendwechsel haben sich die gemittelten Baulandpreise ungefähr vervierfacht.
Gleichsam sind vielerorts Zahlen für einstmals typische Grundstücke bekannt, etwa in den 1970ern und davor. Damals waren Neubau-Grundstücke ab etwa 800 Quadratmeter durchaus die Norm. Zumal bis etwa in die 1960er noch viele Bewohner des ländlichen Raumes mindestens teilweise eine recht umfangreiche Landwirtschaft zur Eigenversorgung betrieben.
Doch was bedeutet das für den Wahrheitsgehalt dieses Klischees? Nun, hier muss man differenzieren:
Das heißt, man kann keinesfalls davon sprechen „alle“ oder „die meisten“ Altbauten im ländlichen Raum stünden auf Grundstücken auf „Kanada-Niveau“. Wohl dürfte es jedoch erheblich mehr Altbauten geben, die auf aus heutiger Sicht immer noch sehr großzügiger Fläche stehen als es ähnlich gelagerte Neubauten gibt.
Hierbei ist zudem die Erläuterung einer Besonderheit nötig: Je nach Gebäudezustand entfällt bei Altbauten ein erheblicher Teil des gesamten Kaufpreises nur auf das Grundstück. Teilweise ist das Haus darauf fast schon gratis – besonders, wenn es nötig ist, umfassend zu sanieren.
Altbauten sind faszinierend und können in vielerlei Hinsicht überzeugen, besonders in Bezug auf regionale Baustile und Nachhaltigkeit. Doch mit diesen älteren Gebäuden kommen oft Herausforderungen, die sich nicht auf den ersten Blick offenbaren. Sanierungskosten können schnell in die Höhe schießen, wenn unvorhergesehene Mängel auftreten. Auch wenn Altbauten im Kaufpreis oft günstiger wirken, müssen zukünftige Besitzer mögliche Renovierungen realistisch einschätzen. Zudem sind energetische Fragen wie die Kombination mit Wärmepumpen kein Ausschlusskriterium mehr, sondern können bei richtiger Planung durchaus wirtschaftlich sein.
Letztendlich bieten Altbauten Potenzial für Liebhaber historischer Architektur und ökologischer Nachhaltigkeit, erfordern jedoch sorgfältige Abwägungen, um böse Überraschungen zu vermeiden. Wer sich für einen Altbau entscheidet, sollte sich auf eine spannende, aber auch anspruchsvolle Reise einstellen.