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Für junge Leute ist die Wehrpflicht in Deutschland ein Relikt aus der Vergangenheit. Schon seit 2011 gibt es sie nicht mehr, was im internationalen Vergleich durchaus keine Selbstverständlichkeit ist. Doch auch über ein Jahrzehnt nach ihrer Abschaffung gibt es immer noch Gespräche darüber, ob die Wehrpflicht wieder eingeführt werden sollte. Begünstigt werden diese Diskussionen durch die aufgeheizten politischen Situationen in Europa und der Welt. Was vor einigen Jahren noch undenkbar schien, ist mittlerweile wieder bittere Realität: Es gibt Krieg in Europa.
Im Zuge von Gesprächen über das Militär und die Verteidigungsfähigkeiten von Deutschland werden verschiedene Alternativen und Möglichkeiten besprochen. Darunter fällt eben auch die Wehrpflicht. Welche für viele ein Relikt der Vergangenheit bleiben soll, während andere auf ihre Wichtigkeit verweisen. In diesem Artikel geht es um die Vor- und Nachteile der Wehrpflicht.
Die Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 hat den Startpunkt markiert. Seit 2022 gibt es einen offenen Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Es ist nicht der einzige bewaffnete Konflikt auf der Welt. Unter anderem wird auch im Gazastreifen gekämpft, aber es ist eben ein Krieg in Europa. Genau dieses Szenario galt lange Zeit als undenkbar, da spätestens seit Ende des Zweiten Weltkriegs Europa als stabiles System betrachtet wurde, das solche Konflikte nicht mehr zulassen würde. De facto war das natürlich nicht der Fall. Auch nach 1945 gab es viele bewaffnete Konflikte in Europa. Zum Beispiel der Bürgerkrieg in Griechenland, der Nordirland-Konflikt, der Bosnienkrieg oder natürlich auch der Kalte Krieg, der zumindest zu vielen heiklen Situationen geführt hat.
In den letzten Jahrzehnten sind Militärausgaben eher gestiegen als gesunken und wenn es um das deutsche Militär geht, dann steht es stets unter einer besonderen Voraussetzung, die natürlich mit den beiden Weltkriegen des vorherigen Jahrhunderts zusammenhängen. Viele sehen die Welt nach wie vor als einen Ort mit vielen potenziellen Brandherden, die ein eigenes Militär notwendig machen. Andere wollen die Abrüstung, die auch darin besteht, immer weniger Militärausgaben zu haben und Armeen zu einer Erinnerung der Vergangenheit werden zu lassen. In diesem Zuge wurde 2011 in Deutschland die Wehrpflicht abgeschafft.
Nach über einem Jahrzehnt ohne Wehrpflicht in Deutschland gibt es Stimmen, die sich mehren und die für eine Wiedereinführung sind. Derzeit wird das auch im Bundesverteidigungsministerium unter Boris Pistorius diskutiert, dessen Aufgabe natürlich darin besteht, ein funktionierendes Militär auf die Beine zu stellen.
Zwar halten sich seit Jahren die Zahlen der freiwilligen Wehrdienstleistenden, aber sie sind deutlich niedriger als noch vor Abschaffung der Wehrpflicht. Entsprechend muss die Frage gestellt werden, inwiefern sich Deutschland überhaupt in einem Kriegsfall erfolgreich verteidigen könnte.
Kommt also die Wehrpflicht zurück? Derzeit sieht es nicht danach aus, dass von der Regierung die Wehrpflicht wieder eingeführt werden würde. Aktuell werden nur verschiedene Szenarien im Bundesverteidigungsministerium besprochen, was natürlich auch als Antwort auf die politischen Unruhen in Europa und der Welt zu verstehen ist. Das umfasst nicht nur Krieg, sondern auch Umweltkatastrophen, die durch den Klimawandel noch schlimmer werden könnten. Denkbar ist daher auch eine allgemeine Dienstpflicht, die nicht nur den Wehrdienst umfasst, sondern auch den Katastrophenschutz und verschiedene Rettungsdienste. Eine Mehrheit gibt es aktuell auch in der Bevölkerung nicht, was die Rückkehr der Wehrpflicht angeht.
Auch vor über zehn Jahren wurde intensiv über das Für und Wider der Wehrpflicht diskutiert. Folgend die wichtigsten Argumente für beide Seiten.
Ein Pro-Argument für die Wehrpflicht besteht darin, dass sie grundsätzlich dafür sorgt, dass sich Menschen für die allgemeine Gesellschaft engagieren und es nur wenige vergleichbare Organisationen dieser Größe gibt, die das auf diese Weise erreichen. Natürlich wird auch damit argumentiert, dass eines Tages tatsächlich ein Fall eintreten kann, bei dem deutsche Interessen auch mit dem Militär verteidigt werden müssen. Was selbstredend nur mit einer gut ausgebildeten und ausgestatteten Bundeswehr funktioniert, wozu es den Nachwuchs braucht. Dabei verweisen auch einige auf die Disziplin, die den Charakter stärken würde und sich die Monate bei der Bundeswehr auch über den Grunddienst hinaus positiv auswirken würden.
Da es die Bundeswehr ja ohnehin gibt, kann die Wehrpflicht dafür sorgen, dass es eine viel engere Verbindung zwischen der Armee und der zivilen Bevölkerung gibt. Gleichzeitig können junge Männer auf diese Weise auch einen Teil zur Einheit Deutschlands beitragen. Argumentiert wird auch damit, dass die Wehrpflicht eine ganz andere Planungssicherheit gewährleisten würde. Wonach man eben genau weiß, dass jährlich Männer den Grundwehrdienst antreten werden. Auf diese Weise kann man die Stärke und Qualität der gesamten Bundeswehr sicherstellen, sowohl für die Zukunft allgemein als auch für Krisenfälle.
Bis zur Abschaffung der Wehrpflicht hat es viele Diskussionen gegeben. Und auch Initiativen wie “Wehrpflicht? Nein, danke!“. Über die Jahre sind alle möglichen Argumente zusammengetragen worden, die gegen eine Wehrpflicht oder Wiedereinführung sprechen. Ein immer wieder vorgetragenes Argument besteht in der ungewollten Pflicht, die einfach jedem liberalen Gedanken widerspricht. Wer für ein liberales Miteinander ist, kann diese Pflicht also nicht einfordern. Vor allem nach den Corona-Jahren ist man auch unter Politikern vorsichtig damit, welche Pflichten man gerade auch jungen Menschen aufbürden möchte. Dem steht auch nicht der Wunsch entgegen, dass es natürlich von Vorteil wäre, wenn sich mehr Menschen gesellschaftlich engagieren würden.
Ein schön früher vorgebrachtes Argument gegen die Wehrpflicht ist der Sexismus gewesen. Der damit einhergeht, da eben nur Männer dafür infrage gekommen sind. Die Frage wäre also, wie das bei einer Neueinführung aussehen könnte. Auch wird gegen die Wehrpflicht mit den Kosten argumentiert, die damit einhergehen. Junge Männer können in dieser Zeit nicht ihrer bezahlten Arbeit nachgehen, Unternehmen fehlen in dieser Zeit wichtige Arbeiter. Und die Kosten für die Bundeswehr steigen dadurch, wobei es schon jetzt an vielen Ecken und Enden an Geld fehlt. Auch sagen Gegner der Wehrpflicht, dass eine Armee, die auch Wehrpflichtige beinhaltet, automatisch für mehr Sicherheit sorgt und nicht von einer Regierung missbraucht werden könnte.
Die moderne Wehrpflicht in Deutschland geht auf die Nachkriegsjahre zurück, in der es natürlich ohnehin eine Frage gewesen ist, inwiefern Deutschland eine Bundeswehr haben könnte. 1955 wurde die Bundeswehr aufgestellt, womit auch direkt die Wehrpflicht einherging, die dann schließlich bis 2011 andauerte. Schon 1949 wurde im Grundgesetz die Möglichkeit der Kriegsdienstverweigung verankert. Im Zusammenhang mit der späteren Wehrpflicht ist dann ein Passus entstanden, wonach man den Kriegsdienst verweigern könnte, dafür dann aber einen Ersatzdienst leisten müsste. Daraus entwickelte sich schließlich der Zivildienst. Diesen konnte man antreten, wenn man erklären konnte, warum man nicht zur Bundeswehr gehen möchte.
Seitdem die Wehrpflicht abgeschafft worden ist, gibt es auch keinen Zivildienst mehr. Dafür gibt es aber Alternativen und wer sich in der ein oder anderen Form engagieren möchte, findet dazu entsprechende Möglichkeiten. Zum einen gibt es den Freiwilligen Wehrdienst, über den man sich auf der Webseite bundeswehrkarriere.de der Bundeswehr informieren kann. Zwischen 7 und 23 Monaten dauert der FWD, nach dem man dann entscheiden kann, ob man auch weiterhin bei der Bundeswehr als Berufssoldat bleiben möchte. Der Freiwillige Wehrdienst bietet die Möglichkeit, um die ganz verschiedenen Abteilungen der Bundeswehr kennenzulernen. Ob nun das Heer, die Marine, die Luftwaffe oder auch der Sanitätsdienst.
Als Alternative zum Zivildienst wurde 2011 der Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Auch hierbei gibt es die Möglichkeit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, ohne dafür zur Bundeswehr gehen zu müssen. Man kann in verschiedenen Bereichen arbeiten, die kulturelle, soziale oder auch ökologische Hintergründe haben. Verwaltet wird der BDF vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben und kann prinzipiell von jedem gemacht werden, womit er sich auch vom Freiwilligen Ökologischen Jahr und dem Freiwilligen Sozialen Jahr unterscheidet. Informationen zum BFD bekommt man auf der Seite bundesfreiwilligendienst.de.
Die Wehrpflicht hat eine lange Tradition, ist aber zumindest in Deutschland seit 2011 nicht mehr vorhanden. Schon damals gab es viele Diskussionen darüber, ob die Wehrpflicht sinnvoll ist oder eben nicht. Auch in anderen Ländern wird das Thema immer wieder diskutiert. Aufgrund politischer Unruhen und Kriege in Europa und der Welt sind die Diskussionen um die Wehrpflicht wieder lauter geworden und auch manche Politiker denken darüber nach, dass es zu einer Wiedereinführung kommen könnte. Allerdings sieht es danach derzeit noch nicht aus. Es gibt Gründe, die dafür sprechen, aber eben auch dagegen. Diese Argumente werden die Diskussion auch in den nächsten Jahren bestimmen.